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Arbeitsbeziehungen
1. Was sind die Unterschiede zwischen angestellten, freien und festen freien Mitarbeitern?
2. Welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen ergeben sich aus der Unterscheidung in angestellte, freie und feste freie Mitarbeiter?
3. Was bedeutet Scheinselbstständigkeit?
4. Ergeben sich für mich, insbesondere als fester Freier, bestimmte Treuepflichten gegenüber „meinem“ Sender / Verlag?
5. Darf ich, während ich mit „meinem“ Sender / Verlag über die Abnahme eines Beitrags verhandle, diesen einem anderen anbieten?
6. Falls "mein" Sender keine Visitenkarten an mich herausgibt, die ich bei der Recherche nutzen kann- gibt es eine andere Möglichkeit, mir den Ruf "meines" Senders auch ohne aktuellen Auftrag zu eigen zu machen ?
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zu 1. Was sind die Unterschiede zwischen angestellten, freien und festen freien Mitarbeitern?
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Die arbeitsrechtliche Unterscheidung in feste und freie Mitarbeit ergibt sich nicht ausschließlich aus dem Inhalt des jeweiligen ( Arbeits- )Vertrags, sondern richtet sich in erster Linie nach dessen Durchführung in der Praxis. Bei einem Widerspruch zwischen vertraglicher Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses und der tatsächlichen Art und Weise, in der die Arbeitsleistung erbracht wird, ist zur Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft nur auf letztere abzustellen. Unerheblich ist auch die Bezeichnung des Vertrages als Arbeits-, Dienst- oder Werkvertrag. Maßgebend ist, was tatsächlich praktiziert wird.
Fest angestellter Mitarbeiter und somit Arbeitnehmer ist laut BAG, wer aufgrund eines Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener und fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Ausschlaggebend für die Einstufung als Arbeitnehmer sind also insbesondere die Kriterien der persönlichen Abhängigkeit vom Arbeitgeber (dieser stellt Arbeitsplatz und Arbeitsmittel zur Verfügung, erstellt den verbindlichen Dienstplan, etc. ), der Weisungsgebundenheit ( der Arbeitgeber gibt Zeit, Ort und Dauer der Arbeitserbringung vor ) und der Einbindung in die betriebliche Organisation des Arbeitgebers.
Freier Mitarbeiter und somit nicht Arbeitnehmer, sondern selbstständig ist, wer nicht an das Weisungsrecht eines anderen gebunden ist. Der freie Mitarbeiter kann insbesondere Zeit, Ort und Dauer seiner Dienstleistung frei bestimmen. Auch ist er im Gegensatz zum Arbeitnehmer in der Regel nicht verpflichtet, seine Leistung selbst zu erbringen, sondern kann Unteraufträge erteilen. Er wird grundsätzlich einen Dienstvertrag mit seinem Auftraggeber geschlossen, sich also zur Erbringung von Diensten gegen eine Vergütung verpflichtet haben. Wie er diesen Dienst erbringt, ist jedoch ihm selbst überlassen.
Der Begriff der festen Freien ist dem Arbeitsrecht nicht bekannt. Im rechtlichen Sinn handelt es sich grundsätzlich um freie Mitarbeiter. Der einziger Unterschied in der Praxis besteht darin, dass der feste Freie im Gegensatz zu dem „normalen" freien Mitarbeiter regelmäßig Aufträge bekommt und diese in der Regel von immer dem gleichen Auftraggeber. Feste Freie können aber auch als arbeitnehmerähnliche Personen eingeordnet werden, wenn sie wirtschaftlich abhängig von derjenigen Person sind, für die sie auf Grund eines Dienst- oder Werkvertrags persönlich, also im wesentlichen ohne Mithilfe anderer tätig werden. Die arbeitnehmerähnliche Person ist im Gegensatz zum Arbeitnehmer persönlich selbstständig und in der Arbeit weisungsfrei, aber wirtschaftlich abhängig. Sie ist deshalb einem Arbeitnehmer vergleichbar schutzbedürftig, weil die vom Auftraggeber erhaltene Vergütung ihre Existenzgrundlage darstellt. Feste Freie können auch oft der Gruppe der Scheinselbstständigen unterfallen, die in der Regel jedoch als arbeitnehmerähnliche Personen eingestuft werden müssen, so dass sich hier praktisch keine Unterschiede ergeben ( siehe hierzu Frage 2 ).
sr, 14.1.2005
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zu 2. Welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen ergeben sich aus der Unterscheidung in angestellte, freie und feste freie Mitarbeiter?
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Für den festangestellten Mitarbeiter, also Arbeitnehmer, gilt das gesamte Arbeitsrecht mit all seinen arbeitnehmerfreundlichen Schutzvorschriften. Insbesondere kann er sich auf das Kündigungsschutzgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Bundesurlaubsgesetz sowie das Mutterschutzgesetz berufen. Auch gilt für ihn das Arbeitsgerichtsgesetz, welches einen schnellen und kostengünstigen Weg zu den Arbeitsgerichten zur Verfügung stellt.
Auf freie Mitarbeiter ( die weder Arbeitnehmer noch arbeitnehmerähnliche Personen sind ) dürfen arbeitsrechtliche Vorschriften grundsätzlich nicht angewendet werden.
Insbesondere können sie nicht vor den Arbeitsgerichten klagen, da das Arbeitsgerichtsgesetz keine Anwendung findet.
Feste Freie, die nicht als Selbstständige wie die „echten" freien Mitarbeiter, sondern als arbeitnehmerähnliche Personen einzustufen sind, können sich in gewissem Maße auf arbeitsrechtliche Vorschriften berufen.
Ihnen steht insbesondere der schnelle und kostengünstige Weg zu den Arbeitsgerichten offen ( § 5 I 2 ArbGG ).
Auch gilt das Tarifvertragsgesetz ( § 12 a I TVG ) und das Bundesurlaubsgesetz ( § 2 BUrlG )
Ansonsten ist das Arbeitsrecht grundsätzlich unanwendbar, insbesondere gelten das Kündigungsschutzgesetz und das Mutterschutzgesetz hier nicht.
sr, 14.01.2005
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zu 3. Was bedeutet Scheinselbstständigkeit?
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Unter Scheinselbstständigkeit ist die Tätigkeit von Personen zu verstehen, die ihrem Vertrag zufolge als Selbstständige behandelt werden, tatsächlich jedoch wie ein Arbeitnehmer arbeiten.
Sie erbringen für einen oder einige wenige andere dauerhaft Dienst- oder Werkleistungen. Dabei sind sie wie ein Arbeitnehmer weisungsgebunden oder wirtschaftlich abhängig, obwohl sie gerade keinen Arbeitsvertrag, sondern einen Dienst– oder Werkvertrag geschlossen haben.
Diese Konstruktion des Arbeitsverhältnisses wird in dem Bestreben genutzt, arbeitsrechtliche Schutzvorschriften wie den Kündigungsschutz, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, den Sozialversicherungsbeitrag und die Lohnsteuer zu umgehen.
Scheinselbstständige müssen in der Regel in die Gruppe der arbeitnehmerähnlichen Personen eingeordnet werden, mit den für diese geltenden arbeitsrechtlichen Regelungen ( siehe hierzu Frage 2 ).
Die genaue Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung erweist sich im Einzelfall oft als schwierig.
Von der Rechtssprechung entwickelte Abgrenzungskriterien für eine abhängige Beschäftigung können sein:
- Inhalt des Vertrages ( der jedoch unerheblich ist, wenn er in der Praxis anders umgesetzt wird ),
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Weisungsgebundenheit
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persönliche Erbringung der Arbeitsleistung,
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keine eigene Betriebsstätte oder Betriebsmittel,
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Verbot, für andere Auftraggeber tätig zu werden,
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feste Arbeitszeiten,
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Bezahlung von Überstunden,
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Urlaubsansprüche,
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Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall,
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kein Unternehmerrisiko oder Unternehmerinitiative,
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fehlende Kammermitgliedschaft.
Wenn Sie sich hinsichtlich ihres arbeitsrechtlichen Status unsicher fühlen, können sie mit einem schriftlichen Antrag bei der BfA ein Statusfeststellungsverfahren durchführen lassen.
sr,14.01.2005
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zu 4. Ergeben sich für mich, insbesondere als fester Freier, bestimmte Treuepflichten gegenüber „meinem“ Sender / Verlag?
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Für den fest angestellten Presse- und Rundfunkmitarbeiter besteht, wie in jedem festen Arbeitsverhältnis, die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange des Arbeitgebers, also des Verlags bzw. der Sendeanstalt. Redakteure müssen nach besten Kräften die Interessen des Verlages, Senders usw. fördern und Schaden von ihm abwenden.
Zu den Treuepflichten zählt es auch, grundsätzlich die publizistische Haltung des jeweiligen Presseorgans zu respektieren. Eine solche Loyalitätspflicht kann bei prägenden Redakteuren so weit gehen, dass diese sich auch außerdienstlich mit politischen Äußerungen in der Öffentlichkeit zurückhalten müssen. Wenn der Redakteur mit der politischen Haltung der Zeitung usw. identifiziert wird und deren Glaubwürdigkeit beeinträchtigt wird, kann der Verleger unter Umständen bei einem sehr schwerwiegenden Verstoß außerordentlich fristlos, bei wiederholtem Verhalten nach Abmahnung ordentlich kündigen. Bei einem engen Vertrauensverhältnis kann der fest angestellte Journalist sich auch nach Beendigung eines Projekts z.B. schadensersatzpflichtig machen, wenn er etwa den von ihm angefertigten Bericht in der Presse schlecht macht.
Auf der anderen Seite gilt die Rücksichtnahmepflicht auch für den Verleger / Sender. Er kann also etwa im Fall einer Änderung seiner politischen Tendenz nicht vom Redakteur verlangen, dass dieser entgegen seiner persönlichen Überzeugung schreibt. Bei derart geänderten Bedingungen wirken sich der Gesinnungsschutz des Redakteurs und sein Grundrecht der Pressefreiheit auch gegenüber dem Verleger aus.
Die vertraglichen Treuepflichten des freien Mitarbeiters, auch des festen Freien bzw. Arbeitnehmerähnlichen, beschränken sich auf seinen Aufgabenbereich. Der freie Journalist, auch wenn er häufig für einen Sender oder Verlag arbeitet, muss also keine Rücksicht auf dessen Interessen im allgemeinen nehmen, etwa auf Pflichtverstöße anderer hinweisen oder eine entsprechende politische Haltung in der Öffentlichkeit vertreten. Eine Rücksichtnahmepflicht trifft den (festen) Freien nur im Zusammenhang mit den von ihm konkret verfassten Beiträgen. Diese dürfen ihrem Inhalt nach den Sender- / Verlagsinteressen nicht erheblich widersprechen und er darf sich im nachhinein nicht von ihnen distanzieren.
ib, 14.01.2005
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zu 5. Darf ich, während ich mit „meinem“ Sender / Verlag über die Abnahme eines Beitrags verhandle, diesen einem anderen anbieten?
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Im allgemeinen gehört es gerade zum Wesen von freier Mitarbeit, über seine Dienstleistungen am Markt frei zu verhandeln und nicht nur mit einem Abnehmer Verträge zu schließen. Wenn ein Journalist einen Beitrag in eigener Verantwortung und ohne Auftrag des jeweiligen Presseorgans oder Senders erstellt hat, ist es ihm grundsätzlich unbenommen, diesen auch anderweitig anzubieten, solange er bei seinem Gegenüber nicht den Eindruck erweckt, dass er exklusiv verhandele.
Das gilt auch für feste Freie, sofern es sich nach der tatsächlichen Handhabung des Dienstverhältnisses auch wirklich um Freie bzw. Arbeitnehmerähnliche und nicht um Arbeitnehmer handelt. Vielmehr kann es sogar ein Indiz für eine Arbeitnehmerstellung sein, wenn ein Sender oder Verlag sich eine Art Exklusivverhandlungsrecht ausbedingt. Aus einer etwaigen Loyalitätspflicht des (festen) freien Mitarbeiters folgt so ein ausschließliches Verhandlungsrecht des regelmäßigen Auftraggebers jedenfalls nicht.
Vertragliche Regelungen in dieser Richtung sind wohl unüblich, jedenfalls die Musterverträge des DJV bzw. die allgemeinen Lieferungs- und Geschäftsbedingungen für freie Journalisten sehen sie nicht vor. Soweit es tarifvertragliche Verhaltensregeln über Angebot und Annahme von Beiträgen für feste freie Journalisten gibt, betreffen die in erster Linie die Urheberrechte an den Beiträgen: Der Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche freie JournalistInnen an Tageszeitungen (abrufbar unter www.djv.de/djv/tarifvertraege.shtml) etwa enthält zwar unter den §§ 10, 11 eine Regelung, wonach der Journalist bei Angebot eines Beitrags angeben soll, ob dieser zur Alleinveröffentlichung, zum Erst- oder Zweitdruck angeboten wird, wobei im Zweifel von einem Angebot zum Zweitdruck auszugehen ist. Aber selbst wenn er den Beitrag zur Alleinveröffentlichung vorsieht, kann der Journalist natürlich anderweitig über einen Abdruck verhandeln, solange er den Beitrag nicht verkauft. §§ 10, 11 des Tarifvertrags betreffen nur die Rechteeinräumung, nicht vorvertragliche Pflichten zum Hinweis auf anderweitige Vertragsverhandlungen. In der Praxis ist es allerdings weithin üblich, dass Vertragsverhandlungen im engeren Sinn gar nicht stattfinden, sondern der Sender oder Verlag über Ausstrahlung bzw. Abdruck von unbestellt eingesandten Beiträgen entscheidet, ohne vorher ausdrücklich Rücksprache mit dem Verfasser zu halten. Besteht eine solche Praxis, sollte der Verfasser im Hinblick auf Urheber- bzw. Nutzungsrechte jedenfalls bei Beiträgen für Zeitschriften das Angebot mit dem Hinweis versehen, dass eine Veröffentlichung erst nach Rücksprache erfolgen soll (dazu im einzelnen Frage 3, Rubrik Bildberichterstattung/ Rechte an Bildaufnahmen).
Bei festen Mitarbeitern ist eine Arbeit für andere Abnehmer und wohl auch das Verhandeln über bereits fertig gestellte Beiträge eine Nebenbeschäftigung. Ein Nebenbeschäftigungsverbot können Journalist und Sender bzw. Verlag im Arbeitsvertrag vereinbaren, wenn der Arbeitgeber daran ein berechtigtes Interesse hat. Bei Fehlen einer solchen Vereinbarung muss der Journalist aber nicht von sich aus auf die Nebentätigkeit bzw. auf die anderweitigen Verhandlungen hinweisen. Nach Nr. 8.1 und 2 des Manteltarifvertrags für Film- und Fernsehschaffende z.B. gilt ein Nebentätigkeitsverbot für monate- oder wochenweise Beschäftigte, nach § 13 des Manteltarifvertrags für RedakteurInnen an Zeitschriften müssen regelmäßige Nebentätigkeiten vom Verlag genehmigt werden.
ib, 14.1.2005
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zu 6. Falls "mein" Sender keine Visitenkarten an mich herausgibt, die ich bei der Recherche nutzen kann- gibt es eine andere Möglichkeit, mir den Ruf "meines" Senders auch ohne aktuellen Auftrag zu eigen zu machen ?
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Das
Problem stellt sich im wesentlichen wohl für feste Freie bzw.
regelmäßige freie Mitarbeiter von Rundfunksendern und Verlagen.
Gerade wenn es eine interne Anweisung des Senders gibt, empfiehlt es sich, diese zu respektieren. Denn bei
fehlender ausdrücklicher Interviewvereinbarung besteht, in dem Fall
grundsätzlich auch die Gefahr dass der Interviewpartner sein
Einverständnis zur Ausstrahlung widerruft.
Es
spricht dann aber nichts dagegen, sich dem Interviewten als freier
Mitarbeiter des Senders vorzustellen und klarzustellen, dass der
Beitrag voraussichtlich auch dort zu sehen sein wird. Wenn der
Interviewpartner nicht zu erkennen gibt, nur im Programm eines
bestimmten Senders auftauchen zu wollen, berechtigt ihn der Verkauf an
einen anderen Sender wohl nicht zu einem Widerruf, wenn sich die
Formate ihrem Wesen nach nicht erheblich unterscheiden.
ib, 14.1.2005
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